„Aufsichtsrat und Vorstand suchten das Gespräch mit uns“

Die Steyler Ethik Bank hat drei Teams von Studierenden ermöglicht, eine gemeinsam erarbeitete Rede auf einer Hauptversammlung zu halten. Bei der TAG Immobilien AG wurde dabei unter anderem Verbesserungsbedarf hinsichtlich einer transparenten Nachhaltigkeitsberichterstattung gesehen. Auch Defizite bei der Umsetzung der konzerneigenen Dekarbonisierungsstrategie wurden benannt. Hier berichtet das Team TAG Immobilien von seinen Erfahrungen.

Studierende der Alanus Hochschule beteiligten sich an einem Engagement-Projekt der Steyler Ethik Bank (v.l.): Johanna Kadelbach, Miriam Andritzky

Wie hat sich euer Verständnis von Aktieninvestments verändert?

Johanna Kadelbach: Obwohl ich während meines Studiums schon vorher mit nachhaltigen Investments in Kontakt gekommen bin, haben das Ausarbeiten des Redebeitrags, das Nutzen der Stimmrechte und die Teilnahme an der Hauptversammlung mein Verständnis von Aktieninvestments noch einmal erweitert. 

Aktieninvestments waren in meiner Wahrnehmung bis vor kurzem eine eher egoistische Anlage und Investitionsmöglichkeit, mit dem alleinigen Ziel, möglichst viel Gewinn durch das Halten und Handeln von Aktien zu erzielen. Weniger bewusst war mir, dass mit Aktien auch das Recht und die Chance einhergeht, seine Stimme zu nutzen und als Teilhaberin die Unternehmensleitung auf Missstände hinzuweisen. 

Durch die Aktien und damit Anteile eines Unternehmens, hatte ich bei der Hauptversammlung viel mehr ein „Wir“-Gefühl mit den anderen Aktionär:innen im Raum und auch die Kritik, die wir geäußert haben, hatte etwas persönlicheres. 

Aktieninvestments sind für mich nicht mehr nur die Möglichkeit, Geld gewinnbringend anzulegen, sondern auch an Unternehmensentscheidungen teilzuhaben und mit Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern in den Austausch zu gehen. 

War die Hauptversammlung so, wie ihr euch das erwartet habt?

Johanna Kadelbach: Die Hauptversammlung von TAG Immobilien war deutlich kleiner als wir erwartet hatten. Was im ersten Moment enttäuschend war, hat sich im Nachhinein aber als große Chance herausgestellt. Der kleinere Rahmen der HV hatte etwas Persönliches, wodurch unsere Redebeitrag sehr gut wirken konnte. Zum einen, weil wir weniger aufgeregt waren, zum anderen ist unsere Rede nicht untergegangen. Im Gegenteil, die Nachredner sind jeweils spontan auf unsere Nachhaltigkeitsthemen eingegangen und auch die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder sind anschließend auf uns zugekommen und haben interessiert mit uns das Gespräch gesucht.

Wir sind nicht nur durch unser deutlich jüngeres Alter, sondern auch durch unsere Forderungen für mehr Nachhaltigkeit aufgefallen. So konnten wir, wie wir finden, den Fokus der HV konstruktiv auf das Thema der Nachhaltigkeit lenken. 

Grundsätzlich war die HV weniger aufregend und aufgeladen als wir gedacht haben, sondern sehr angenehm und unkompliziert. 

Wie nervös warst du beim Vortrag? 

Johanna Kadelbach: Das Motto der HV, das überall deutlich plakativ zu lesen war, lautete „growing cashflow“. Dies schüchterte uns zu Beginn kurz ein, da noch einmal deutlich wurde, dass wir mit unserem Redebeitrag mit Fokus auf Nachhaltigkeit ganz klar Außenseiter waren. 

Wir waren gespannt, wie unsere Forderungen, die doch deutlich von den restlichen Tagesordnungspunkten abwichen, aufgenommen werden würde.

Die Atmosphäre der HV war, anders als erwartet, sehr entspannt und angenehm, wodurch sich die Aufregung in Grenzen hielt. Erst wenige Minuten vor der Rede kam dann nochmal einen ordentliche Portion Aufregung. Aber eher aus Sorge davor, dass ich meinen Text vergesse, das Mikro nicht funktioniert oder ich mich verspreche. 

Die größeren Sorgen hatten sich schon die Wochen zuvor gelegt. Vor allem durch das Rhetoriktraining. Zudem standen wir thematisch hinter unserer Rede und waren von unseren Forderungen überzeugt. Dies hat sehr geholfen. Vor allem weil wir während der Ausarbeitung der Rede immer wieder den Druck verspürten, nicht nur die Bank und die Hochschule überzeugend zu vertreten, sondern auch die Stimme der jüngeren Generation zu sein. 

Könnt ihr euch vorstellen, euch beruflich für nachhaltige Geldanlagen einzusetzen? 

Johanna Kadelbach: Für klimagerechte Wirtschaft und Zukunft braucht es alle Unternehmen, gerade die, die aktuell weniger für ihr nachhaltiges Handeln bekannt sind. Im Engagement-Prozess habe ich für mich die Möglichkeit erkannt, Unternehmen auf ihr Verbesserungspotential hinzuweisen und in den respektvollen Austausch zu gehen. Ohne ein gegeneinander, sondern mehr im Miteinander. 

Das Ausarbeiten des Redebeitrags, die Teilnahme an der HV sowie die Vorlesungen zu nachhaltigen Geldanlagen haben mir deutlich gemacht, wie viel Potential Social Banking hat. Damit hat sich für mich ganz überraschend ein neues Wirkungsfeld aufgetan, und aktuell bewerbe ich mich für Praktika in diesem Bereich. 

Mit diesem Beitrag wandten sich die Studierenden an die Aktionärsversammlung: TAG Immobilien Redebeitrag.