Mit Videobotschaften aus dem globalen Süden startet die Pressekonferenz zum Welthunger-Index 2023. Junge Menschen aus Malawi, Indien und Somalia berichten über ihre Schwierigkeiten und Hoffnungen.
Da ist zum Beispiel die 30-jährige Deeqo Dahir Mohamed aus Somalia. Sie sagt: „Der Konflikt hier zerstört unseren Alltag. Dies hat Auswirkungen auf die Lebensbedingungen unserer Gemeinschaft. Du verlierst dein Geld, deine Arbeit, deinen Wohnort und dein Zuhause. Die Menschen leiden unter Nahrungsmangel und müssen mit nur einer Mahlzeit am Tag überleben.“ Und die 17-jährige Gayatri Kushwaha aus Indien fordert: „Hätte ich die Möglichkeit einen führenden Politiker zu treffen, würde ich ihn bitten, ein College in der Nähe meines Dorfes zu bauen, damit jeder Schüler Zugang zu Bildung hat.“
Die damit verbundene Botschaft von Welthungerhilfe und ihrem irischen Partner Concern Worldwide: Wer den Hunger in der Welt besiegen will, muss Ungerechtigkeiten in den globalen Ernährungssystemen beseitigen und zugleich auf die Kraft und Anpassungsfähigkeit junger Menschen setzen. „Jugend als treibende Kraft für nachhaltige Ernährungssysteme“, so lautet das Motto.
735 Millionen Menschen gehen hungrig ins Bett
Seit 2006 erfasst der Welthunger-Index systematisch, wie es um den Hunger in der Welt bestellt ist. Der Index wurde ursprünglich vom Internationalen Forschungsinstitut für Ernährungs- und Entwicklungspolitik (IFPRI) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Welthungerhilfe entwickelt.
43 Länder verzeichnen weiter ein sehr ernstes oder ernstes Hungerniveau. In 18 Ländern hat der Hunger seit 2015 noch einmal zugenommen. 58 Länder werden es nicht schaffen, bis 2030 ein niedriges Hungerniveau zu erreichen. Dies sind die ernüchternden Befunde des aktuellen Berichts. Während die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO - Food and Agriculture Organization) für die Jahre von 1990 bis 2015 einen Rückgang der Hungernden um 216 Millionen verzeichnete, hat sich die Lage seither verschlechtert. Die Folge: Noch immer haben 735 Millionen Menschen weltweit nicht genügend Nahrung.
Ein unheilvoller Mix
Krisen wie die Corona-Pandemie, ein fortschreitender Klimawandel und zuletzt der Ukraine-Krieg verstärken sich nach Analyse der Hilfsorganisation gegenseitig und wirken sich direkt oder indirekt auf die weltweite Ernährungssituation aus. Dabei kämen viele Folgen der Polykrise erst allmählich zum Tragen und sind somit in den jüngsten Zahlen noch nicht vollständig enthalten.
In 37 Ländern hat sich die Situation spürbar verschlechtert. Gestiegene Lebensmittelpreise sorgen dafür, dass die Menschen Mahlzeiten weglassen und auch ihre Kinder nicht mehr zur Schule schicken, um Kosten zu sparen. 53 Millionen Menschen sind für ihr tägliches Brot auf Hilfe angewiesen. Besonders dramatisch ist die Lage am Horn von Afrika, wo fünf Regenzeiten in Folge ausgefallen sind und Ernten fehlen.
Der Berechnung des Welthunger-Index liegen vier Indikatoren zugrunde. Ein Indikator bestimmt den Anteil der Bevölkerung, der zu wenig Kalorien zu sich nimmt und daher unterernährt ist. Die anderen drei beziehen sich explizit auf die Lage von Kindern unter fünf Jahren. Ermittelt werden Wachstumsverzögerungen durch chronische Unterernährung, die Auszehrung durch akute Unterernährung sowie die Kindersterblichkeit.
Afrika und Südasien besonders betroffen
Von den Ländern, denen der Index eine ernste oder sehr ernste Lage bescheinigt, finden sich sehr viele auf dem afrikanischen Kontinent. Südlich der Sahara kommen vielerorts Probleme zusammen, die zu den Haupttreibern von Hunger zählen: darunter bewaffnete Konflikte, schlechte Regierungsführung, negative klimatische Veränderungen und ein starkes Bevölkerungswachstum. Aber auch für Südasien ist es noch ein weiter Weg, bis alle Menschen über ausreichend Nahrung verfügen.
Ein Land, in dem auch die Steyler Missionare stark vertreten sind, zählt zu den größten Sorgenkindern: Madagaskar weist im diesjährigen Bericht den zweithöchsten Welthunger-Index-Wert auf. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung – 51,0 Prozent – ist unterernährt. 39,8 Prozent der Kinder sind wachstumsverzögert, 7,2 Prozent der Kinder leiden an Auszehrung, die Kindersterblichkeitsrate beträgt 6,6 Prozent. Der Bericht stellt fest: „Madagaskar ist stark vom Klimawandel betroffen; die hungersnotähnlichen Zustände in den Jahren 2021/2022 wurden vom Welternährungsprogramm WFP als die erste durch den Klimawandel verursachte Hungerkrise in der Geschichte bezeichnet (Baker 2021; UN News 2021). Doch der Klimawandel ist nicht die einzige Herausforderung, denn Madagaskars Vulnerabilität wird auch durch tiefgreifende strukturelle Probleme und schwache Regierungsführung angetrieben.“
Hintergrund
Die Welthungerhilfe ist eine der größten privaten Hilfsorganisationen in Deutschland, politisch und konfessionell unabhängig. Seit ihrer Gründung 1962 übernimmt der jeweils aktuelle Bundespräsident die Schirmherrschaft der Welthungerhilfe. Den aktuellen Welthunger-Index können Sie hier auf der Seite der Welthungerhilfe herunterladen.